Mittwoch, 27. Oktober 2010

Europäische Frauenbildnisse...

... aus fünf Jahrhunderten werden in diesem kleinen Buch präsentiert. Die Porträts sind alle in schwarz-weiß gehalten. Wer mag - und einige der von mir ausgewählten Gemälde werdet ihr sicher (wieder)erkennen - kann sich ja einmal vorstellen, welche Farben vom Künstler verwandt wurden, bevor er nach farbigen Originalen schaut.

Jan Vermeer van Delft
geboren 1632 in Delft, gestorben 1675 ebenda
Der rätselhafte Delfter Vermeer ist die feinste Blüte der holländischen Wirklichkeitsmalerei. Seine Bilder haben die denkbar einfachsten Vorwürfe, es gelingt ihm, das Seltene im Vertrautesten zu sehen. Alles scheint so natürlich und ist dabei so kunstvoll gefügt wie edle Musik. Die Mittel dieser Malerei sind verborgen und schwer verständlich, sonst würden nicht immer wieder so alberne Fälschungen geglaubt werden.

Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge (1660)
Das berühmte Bildnis ist wirklich und unfaßbar zugleich. Es schwebt in Elfenbein, Gold und Blau, vollkommen wie ein Gebilde der Natur. Ein Mädchen und eine Perle.


Jean Auguste Dominique Ingres
geboren 1780 in Monteauban, gestorben 1867
Als Schüler (Jaques Louis) Davids stellt Ingres gegen dessen einfachen plastischen Stil eine spätere, kunstvollere Stufe des französischen Klassizismus dar, die das Lineare und Flächige bevorzugt. Im Anschluß an Raffael und die Antike (bei der Gestaltung der Einzelheit auch von Holbein und den Niederländern beraten) wird er zum Hüter und Erhalter der klassischen Tradition, der reinen, vernünftigeren Form und zum Ausgangspunkt aller ähnlich gerichteten Bestrebungen. Er ist ein großer und besessener Zeichner und wie David ein bedeutender Lehrer.

Madame Devaucay (1807)
Ingres vereinigt in seinen Porträts strenge Stilkraft mit äußerster Gewissenhaftigkeit gegenüber der Natur. Nichts ist zufällig, aber es ist auch nichts willkürlich. Unser Beispiel zeigt einen erlesenen Aufbau aus Kurven und Schrägen, über denen frontal in kunstvoller Verlagerung der Bildachse der feine Kopf thront.

***

Theodore Chassériau
geboren 1819 in San Domingo, gestorben 1856 in Paris
Chassériau, Lieblingsschüler von Ingres, ist ein frühreifes und frühvollendetes Talent. Von dem Klassizismus seines Lehrers ausgehend, aber von ANbeginn weicher und weniger konsequent, nähert er sich schließlich der Romantik des Delacroix.

Die Schwestern des Künstlers (1843)
Unser Doppelpoträt zeigt alle Vorzüge der Ingres-Schule und daneben den feinen exotischen Einschlag des jungen Meisters. Besonders geistvoll ist es, wie die Geschwisterähnlichkeit durch eine einfache aber wirksame Komposition betont wird.

Mittwoch, 4. August 2010

Zum Todestag von Hans Christian Andersen

Die Armut und Entbehrung, die Hans Christian Andersen in "Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern" beschreibt, kennt er aus eigener Erfahrung: Sein Vater ist ein armer Schuhmacher, seine Mutter eine Wäscherin, die später im Armenhaus stirbt, die Tante führt ein Bordell - die Verhältnisse, in die Andersen am 2. April 1805 in Odense hineingeboren wird, lassen nicht gerade auf eine schillernde Karriere hoffen.

Die armseligen Verhältnisse seiner Kindheit liefern Andersen später Motive für viele seiner Märchen und den oftmals schlechten Ausgang seiner Geschichten. Zunächst entfachen sie in dem Jungen aber den Wunsch, der Armut zu entkommen und Karriere zu machen. Bücher ziehen ihn magisch an, und noch stärker die Welt des Theaters. Denn Odense auf der dänischen Insel Fünen ist damals zwar noch klein, verfügt aber doch über ein Schauspielhaus. Mit 14 Jahren fasst Andersen einen folgenschweren Entschluss: Er kehrt seiner Heimatstadt den Rücken und geht nach Kopenhagen. Dort will er sich am Königlichen Theater als Sänger, Tänzer und Schauspieler einen Namen machen.

Andersens Versuche, am Theater Karriere zu machen, scheitern zunächst. Doch er findet in dem hohen Beamten Jonas Collin einen Gönner, der für Andersen eine Art zweiter Vater wird und mit dessen Familie er sein Leben lang verbunden bleibt. Andersen besucht die Lateinschule, erhält Privatunterricht und studiert. Bereits in seiner Schulzeit fängt er an zu schreiben. Einen ersten Erfolg feiert er mit dem Gedicht "Das sterbende Kind".

Bis 1835 macht er sich durch Gedichte, Theaterstücke, zwei Romane und seine ersten "Märchen, erzählt für Kinder" in Europa einen Namen. Nur seine Landsleute versagen ihm zunächst die Anerkennung: Seine Märchen werden von Kritikern als "schädlich" und "unverantwortlich" bezeichnet. Erst Jahre später erkennen auch die Dänen Andersens Werke an. Dabei sind es besonders die Märchen, die seinen Weltruhm begründen. Sie machen ihn zum gefeierten Künstler, der vom dänischen König mit dem höchsten Orden des Landes ausgezeichnet wird.

Im Frühjahr 1831 - der 25-jährige Andersen hat gerade seine ersten Werke veröffentlicht - hält es der junge Dichter nicht mehr aus in seiner dänischen Heimat: "Ich bin in dieser Welt ein elender Schwächling geworden und fast zu sentimental; das ist verkehrt, und das beste Mittel dagegen ist sicher zu reisen!" So schreibt er einem Freund und bricht zu einer längeren Reise durch Deutschland auf. Sie ist der Beginn einer langen und intensiven Reiseleidenschaft, der er ab 1838 mit der finanziellen Sicherheit einer Dichterförderung des dänischen Königs intensiv nachgeht. Andersen bereist gut 30 Länder, darunter England, Italien, Frankreich und die Türkei, saugt die neuen Eindrücke auf und verarbeitet sie in seinen Werken.

Andersens Charakter steckt voller Widersprüche. So wird er mal als freundlich und liebenswert, mal als beinahe krankhaft eitel, mal als schreckhaft und gequält von Ängsten beschrieben. Besonders rätselhaft erscheint bis heute sein Verhältnis zur Liebe und zur Sexualität. Er fühlt sich zu Frauen und Männern gleichermaßen hingezogen und verliebt sich auch mehrfach, allerdings in Menschen, die für ihn unerreichbar bleiben sollen. Seine Liebe wird nicht erwidert, weder von Edward Collin, dem Sohn seines Förderers Jonas Collin, noch von Riborg Voigt, die einen anderen Mann heiratet, noch von der Opernsängerin Jenny Lind. Sein ganzes Leben lang hat er keine feste Beziehung, er bleibt allein. Der Journalist und Andersen-Biograf Jens Andersen glaubt, dass sein berühmter Namensvetter bis zu seinem Tod niemals Sex hatte. Ein Grund dafür sei Andersens religiöse Erziehung und seine Angst gewesen, die Sünde, mit jemandem zu schlafen, werde ihn aus dem Paradies der Unschuld und seines Lebens als Künstler vertreiben.

Als Andersen am 4. August 1875 in Kopenhagen an Leberkrebs stirbt, hat er insgesamt gut 160 Märchen geschrieben. Fast in aller Welt wachsen bis heute Kinder mit Andersens Märchen auf. Sie wurden in über 120 Sprachen übersetzt. Märchen wie "Die Prinzessin auf der Erbse", "Des Kaisers neue Kleider" oder "Däumelinchen" sind europäisches Gemeingut geworden. Andersen-Biograf Jens Andersen erklärte den Erfolg seines Namensvetters in der "Kulturzeit" auf 3sat so: "Eine Ebene der Märchen ist für Kinder gedacht, und eine zweite, vielleicht anspruchsvollere, für ihre Väter und Mütter. Er wollte Geschichten für beide erzählen. Und dazu kommt vielleicht eine Stimme, die man "die dritte Person" nennen kann - sie richtet sich an das Kind in uns. Wir lesen seine Märchen, weil wir dieser deutlichen, so schönen, einsamen und sehr phantasievollen Stimme zuhören können, die direkt zu dem Kind in uns Erwachsenen und Heranwachsenden spricht."

(Autor: Christoph Teves)

Donnerstag, 15. April 2010

Carl Malchin



Carl Malchin war ein deutscher Restaurator und Landschaftsmaler, der hauptsächlich ländliche und mecklenburgirsche Motive und Stadtansichten malte.


Winter in Mecklenburg

Er wurde am 14. Mai 1838 als Sohn eines Senators geboren. Nach dem Besuch der Realschule in Rostock, absolvierte er in Schwaan eine Lehre zum Geodäten. Sein Berufswunsch war Schiffbauer, doch seine körperliche Verfassung ließ dies nicht zu. Nach Abschluss der Lehrzeit arbeitete er noch drei Jahre als Gehilfe bei seinem Lehrherrn. Bereits in dieser Zeit lernte er in Schwaan die zur damaligen dortigen Künstlerkolonie gehörenden Maler Otto Dörr und Eduard Ehrke kennen, die vermutlich Malchins Lust auf das Malen weckten.

1860 bis 1862 war Malchin am Polytechnikum in München eingeschrieben, um Vorlesungen in Geodäsie und Ingenieurwissenschaften zu hören. Lieber besuchte er aber die Künstlerateliers und lernte so den Landschaftsmaler Adolf Heinrich Lier kennen. Dieser vermittelte den Studenten an Julius Noerr, ebenfalls ein bekannter Landschaftsmaler seiner Zeit, bei dem er Unterricht erhielt. Die Malerei nahm ihn immer mehr ein, doch er beendete pflichtgemäß seine Ausbildung als Vermesser und nach einer Praktikumszeit in Rostock legte er auch das Ingenieursexamen ab.

Aus finanziellen Gründen arbeitete Malchin als Großherzoglich-mecklenburgischer Kammeringenieur im Vermessungsamt in Schwerin und betätigte sich in seiner Freizeit intensiv mit der Malerei.

1866 heiratete er Johanna Busch, die Tochter des Gutspächters von Toitenwinkel bei Rostock, und 1867 wurde sein Sohn Friedrich geboren.

Bereits seine 1871 bis 1872 entstandenen Gemälde, zumeist mit ländlichen Motiven, zeigen eine gute Beobachtungsgabe, eine saubere Strichführung und treffende Auswahl des Bildausschnitts, wie das Bild „Dorfstraße in Dierkow“. In malerisch hervorragender Qualität hielt Malchin im Bild „Bauerndiele“ das ländliche Milieu fest.


Winterlandschaft mit Eisläufern

Trotz des Stipendiums war Malchin ständig in Geldsorgen, seine Bilder verkauften sich noch nicht gut und so musste er mehrfach Bittbriefe nach Schwerin schicken und um vorfristige Geldüberweisung nachsuchen. Außerdem bot er seine Bilder regelmäßig dem Großherzog zum Kauf an, und der Hof kaufte einige Gemälde, wenn auch oft unter Wert.

Malchin nahm deshalb nach seinem Studium 1879 die angebotene Stelle als Restaurator der herzoglichen Gemäldesammlung an. Der Vertrag dazu war großzügig gestaltet und ließ ihm reichlich Raum für eigene Malerei und Urlaub. Dafür nahm er seine Aufgabe bei der Restaurierung, Sichtung und Ordnung der Gemälde sehr ernst.


Die Bilder von Malchin erregten in mecklenburger Kunstkreisen Aufmerksamkeit, so dass der Hofmaler Theodor Schloepke beim Großherzog Freidrich Franz II.
vorstellig wurde, um eine Förderung des jungen Malers zu erreichen. Der Großherzog bewilligte ein Stipendium, eine monatliche Beihilfe und die Beurlaubung vom Dienst für das Studium an der 1860 vom Naturalisten Stanilaus von Kalckreuth gegründeten Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule Weimar, welches Malchin im Herbst 1873 begann. Er zog mit Frau und Sohn nach Weimar.

Großen Einfluss auf Malchin hatte mit seinem Realismus sein Lehrer und damaliger Direktor der Schule Theodor Hagen. Auch Albert Brendel gehörte zu seinen Lehrern. Beide Maler prägten wegen ihrer gleichen Auffassung mit den Vorstellungen Malchins dessen Stil.

1874 unternahm er eine Reise an die Mosel.
1881 malte Malchin in Boltenhagen, 1882 reiste er nach Wustrow und Ahrenshoop

Hafen Wustrow mit Wäscherinnen

Die Gegend um Ahrenshoop scheint ihn künstlerisch angeregt zu haben, denn es finden sich zahlreiche Bilder und Skizzen davon in seinem Werk.

1890 verlieh ihm Großherzog Friedrich Franz III. den Professorentitel. Ab 1903 lebte Malchin in dem damals am Stadtrand liegenden Dorf Osdorf, heute ein Stadtteil von Schwerin. Motive aus dem Ort Osdorf finden sich reichlich im späteren Schaffen.

Alte Kate auf der Düne

1915 wurde Carl Malchin pensioniert. Er bat um eine bereits vorher versprochene Gesamtausstellung, die wegen des Ersten Weltkrieges nicht stattfinden konnte. Aber auch nach dem Krieg wurde diese nicht durchgeführt. Erst nach dem Tod des Künstlers am 23. Januar 1923 gab es eine Ausstellung, die so zur „Gedächtnisausstellung“ wurde.

Freitag, 12. März 2010

Anton Pawlowitsch Tschechow


Anton Pawlowitsch Tschechow war ein bedeutender russischer Schriftsteller und Dramaturg.

Tschechow war ein genialer Erzähler. Als ausgezeichneter Menschenkenner, hatte er ein besonderes Talent dafür, humorvoll ernste Dinge des Lebens zu beschreiben und war ein Meister des Unausgesprochen. Mit seinen Kurzgeschichten bringt er die Leser heute noch zum Lachen, und seine seriösen Erzählungen animieren zum Nachdenken über die Rolle des Menschen in dieser Welt.

Lebenslustig und witzig, hatte Tschechow einen scharfen Sinn für Humor und konnte große Gesellschaften mühelos unterhalten. Und gleichzeitig war er einsam und ernst. Er glaubte, dass nur jemand, der viel und hart arbeitet und so für das Wohl anderer sorgt, ein anständiger Mensch sein kann.

Auf der Bühne schafft Tschechow eine sehr emotionale spannende Stimmung, die eine kommende Veränderung vorahnen lässt. Es gibt nicht viel "Action". Die Spannung wird hauptsächlich durch Dialoge und Emotionen der Charaktere erzeugt.

Anton Tschechow wurde am 29. Januar 1860 in Taganrog geboren. Zusammen mit fünf Geschwistern wuchs er in der Familie eines Kaufmanns auf und genoss eine strenge, aber sehr gute Erziehung. Wegen schlecht laufender Geschäfte war die Familie jedoch gezwungen Taganrog zu verlassen, zog nach Moskau und lebte dort eine Weile in sehr ärmlichen Verhältnissen.

1879 begann Tschechow ein Studium an der medizinischen Fakultät der Moskauer Staatsuniversität, das er mit dem Schreiben von komischen Kurzgeschichten und der Veröffentlichung in diversen Zeitschriften finanzieren konnte. Nach dem Studium war er als Arzt in Woskresensk (heute Stadt Istra) tätig, arbeitete in einem Krankenhaus und schrieb fleißig weiter.

Seit 1886 veröffentlichte Tschechow regelmäßig seine Kurzgeschichten in der renommierten Zeitung "Nowoje Wremja" und wurde immer populärer. Die Resonanz auf seine 1886/1887 veröffentlichen Sammelwerke "Bunte Erzählungen", "Unschuldige Gespräche" und "In der Dämmerung" war sehr positiv. Ermutigt durch Unterstützung bekannter Literaturkritiker und Autoren, widmete sichTschechow immer mehr dem Schreiben und betrachtete es nicht mehr als Nebenverdienst, sondern als seine Berufung.

Da er sich schon als Kind für das Theater interessiert hatte, schrieb er nun auch Bühnenstücke. 1887 spielte ein beliebtes Moskauer Theater zum ersten Mal sein Drama "Iwanow". Zwar war Resonanz auf die Aufführung gespalten, im Kern jedoch eher positiv. Jedenfalls redete man über den jungen Autor und seine innovativen Ideen.

Ein wichtiger Meilenstein im Leben von Anton Tschechow war seine Reise auf die Insel Sachalin im Jahre 1890. In diese finstere Gegend Russlands wurden Sträflinge und politische Gefangene verbannt. Während seines dreimonatigen Aufenthalts auf Sachalin hat Tschechow den Alltag der Einwohner und Sträflinge hautnah erlebt und dokumentiert. Er besuchte Gefängnisse, arbeitete als Arzt, Forscher, Soziologe und führte sogar eine Volkszählung durch. Seine Eindrücke verarbeitete er in seinem Buch "Insel Sachalin".

Anfang der 90er Jahre gehörte Tschechow zu den meistgelesenen Autoren Russland. Seine Erzählungen erschienen regelmäßig in guten Zeitschriften und wurden als Sammelwerke mehrmals verlegt. Seine Theaterstücke liefen auf den besten Bühnen von Moskau und St. Petersburg.

1892 kaufte Tschechow ein Haus in Melichowo, einem Dorf unweit von Moskau. Hier lebte er zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern. In Melichowo schrieb Tschechow einige seiner bekannten Werke, darunter die Dramen "Die Möwe", "Onkel Wanja" sowie Erzählungen "Der schwarze Mönch", "Krankensaal Nr. 6", "Der Mann im Futteral", "Ein flatterhaftes Wesen " und andere.

In diesen Jahren war Tschechow nicht nur als Schriftsteller produktiv, sondern engagierte sich auch sozial. Er errichtete Schulen für Bauernkinder, baute einen Feuerwehrpunkt, beteiligte sich am Straßenbau, organisierte Baumpflanzaktionen, eröffnete eine Arztpraxis, in der er kostenlos die Einwohner anliegender Dörfer behandelte, und kämpfte gegen die Cholera-Epidemie von 1892-1893.

Anton Tschechow war überhaupt sehr aktiv und konnte nicht untätig herumsitzen. Er fuhr öfter nach Moskau und St. Petersburg, traf sich mit Schriftstellern und Künstlern, ging ins Theater oder nahm an offiziellen Veranstaltungen teil. 1895 traf Tschechow Leo Tolstoi in Jasnaja Poljana, der ihm aus seinem Roman "Auferstehung" vorlas. Seitdem blieben die beiden Schriftsteller im Kontakt. Später besuchte Tolstoi den kranken Tschechow im Krankenhaus und in Jalta.

Denn bereits seit seiner Jugend litt Tschechow an Tuberkulose. Im Frühjahr 1897 verschlechterte sich sein Zustand so sehr, dass er mit einer inneren Blutung in ein Krankenhaus in Moskau eingeliefert wurde. Auf dringenden Rat der Ärzte fuhr er in den Süden und blieb eine Weile in Nizza. Nach einem kurzen Aufenthalt in Melichowo, ging Tschechow im Winter 1898 nach Jalta auf die Krim. Hier baute er ein Haus und legte einen schönen Garten an. Selbst schwer krank, kümmerte er sich noch intensiv um andere Tuberkulosekranke, die sich keinen Arzt leisten konnten.

Doch immer wieder zog es Tschechow nach Moskau und St. Petersburg in das lebhafte Kultur- und Theaterleben. Hier lernte er 1898 die bekannte Schauspielerin Olga Knipper kennen, die Hauptrollen auch in seinen Theaterstücken spielte. Im Mai 1901 heirateten die beiden.

Wegen seiner Gesundheit lebte Tschechow seit 1901 in Jalta, monatelang getrennt von seiner Frau, die in Moskau immer noch als Schauspielerin Erfolge feierte. Doch ihre Briefe zeigen, dass die beiden sich sehr liebten, gegenseitig respektierten und an der Trennung litten. In Jalta schrieb Tschechow unter anderem das Schauspiel "Drei Schwestern" und sein letztes Drama "Der Kirschgarten".

Im Frühjahr 1904 verschlechterte sich Tschechows Zustand wieder. Begleitet von Olga Knipper fuhr er nach Deutschland zum Heilkurort Badenweiler. Doch die Krankheit war bereits zu sehr fortgeschritten, so dass hier am 15. Juli 1904 starb. Begraben wurde Anton Tschechow in Moskau.

Mittwoch, 3. März 2010

Das Gänseblümchen

Foto: Julia Brey (pixelio)

Foto: Stephan Erdmann (pixelio)

Nun hör einmal zu!

Draußen auf dem Lande, dicht am Weg, lag ein Landhaus; du hast es gewiss selbst einmal gesehen. Davor ist ein kleiner Garten mit Blumen und einem Staketenzaun, der gestrichen ist. Dicht dabei am Graben, mitten in dem schönsten grünen Gras, wuchs ein Gänseblümchen; die Sonne beschien es ebenso warm und schön wie die großen herrlichen Prachtblumen im Garten, und deshalb wuchs es von Stunde zu Stunde. Eines Morgens stand es mit seinen kleinen, leuchtendweißen Blättern, die wie Strahlen rings um die kleine gelbe Sonne in der Mitte sitzen, ganz entfaltet da. Es dachte gar nicht daran, dass es kein Mensch dort im Gras sähe und dass es ein armes, verachtetes Blümchen sei; nein, es war so vergnügt, es wandte sich der warmen Sonne gerade entgegen, sah zu ihr auf und horchte auf die Lerche, die in der Luft sang.

Das Gänseblümchen war so glücklich, als ob es ein großer Festtag wäre, und es war doch nur ein Montag. Alle Kinder waren in der Schule; während sie auf ihren Bänken saßen und etwas lernten, saß es auf seinem kleinen grünen Stiel und lernte auch von der warmen Sonne und allem ringsumher, wie gut Gott ist; und es gefiel ihm recht, dass die kleine Lerche alles, was es in der Stille fühlte, so deutlich und schön sang. Und das Gänseblümchen sah mit einer Art Ehrfurcht zu dem glücklichen Vogel auf, der singen und fliegen konnte, aber es war gar nicht betrübt, dass es das selbst nicht konnte. „Ich sehe und höre ja! „ dachte es, „die Sonne bescheint mich, und der Wind küsst mich! Oh, wie reich bin ich doch beschenkt worden! „

Innerhalb des Staketenzaunes standen so viele steife, vornehme Blumen, je weniger Duft sie hatten, umso mehr prunkten sie. Die Päonien bliesen sich auf, um größer als eine Rose zu sein; aber die Größe allein macht es nicht! Die Tulpen hatten die allerschönsten Farben, und das wussten sie wohl und hielten sich kerzengerade, damit man sie besser sehen möchte. Sie beachteten das Gänseblümchen da draußen gar nicht, aber das sah desto mehr nach ihnen und dachte: „Wie sind sie reich und schön! Ja, zu ihnen fliegt gewiss der prächtige Vogel und besucht sie! Gott sei Dank, dass ich so nahe dabeistehe, so kann ich doch die Pracht auch sehen! „ Und gerade als es das dachte, quivit! da kam die Lerche geflogen, aber nicht zu den Päonien und Tulpen – nein, ins Gras zu dem armen Gänseblümchen. Es erschrak vor lauter Freude, dass es gar nicht wusste, was es denken sollte.

Der kleine Vogel tanzte rings um das Gänseblümchen herum und sang: „Nein, wie weich ist doch das Gras! Und sieh, welch ein süßes Blümchen mit Gold im Herzen und Silber auf dem Kleid! „ Der gelbe Punkt im Gänseblümchen sah ja auch aus wie Gold, und die kleinen Blätter ringsherum waren glänzend weiß.

Wie glücklich das Gänseblümchen war – nein, das kann niemand begreifen! Der Vogel küsste es mit seinem Schnabel, sang ihm vor und flog dann wieder in die blaue Luft hinauf. Es dauerte sicher eine ganze Viertelstunde, bevor das Blümchen sich erholen konnte. Halb verschämt und doch innig erfreut sah es nach den anderen Blumen im Garten. Sie hatten ja die Ehre und Glückseligkeit gesehen, die ihm widerfahren war, sie mussten ja begreifen, welche Freude es war. Aber die Tulpen standen noch einmal so steif wie vorher, und dann waren sie so spitz im Gesicht und so rot, denn sie hatten sich geärgert. Die Päonien waren ganz dickköpfig, buh! es war gut, dass sie nicht sprechen konnten, sonst hätte das Gänseblümchen eine ordentliche Zurechtweisung bekommen. Das arme Blümchen konnte wohl sehen, dass sie nicht bei guter Laune waren, und das tat ihm herzlich leid. Zur selben Zeit kam ein Mädchen mit einem großen scharfen und glänzenden Messer in den Garten; es ging gerade zu den Tulpen und schnitt eine nach der andern ab. „Uh! „ seufzte das Gänseblümchen, „das ist ja schrecklich; nun ist es vorbei mit ihnen! „ Dann ging das Mädchen mit den Tulpen fort. Das Gänseblümchen war froh darüber, dass es draußen im Gras stand und ein kleines, armes Blümchen war. Es fühlte sich so dankbar, und als die Sonne unterging, faltete es seine Blätter, schlief ein und träumte die ganze Nacht von der Sonne und dem kleinen Vogel.

Am nächsten Morgen, als das Blümchen wieder glücklich all seine weißen Blätter wie kleine Arme gegen Luft und Licht ausstreckte, erkannte es die Stimme des Vogels, aber es war so traurig, was er sang. Ja, die arme Lerche hatte guten Grund dazu, sie war gefangen worden und saß nun in einem Bauer, dicht am offenen Fenster. Sie sang davon, frei und glücklich umherzufliegen, sang von dem jungen, grünen Korn auf dem Feld und von der herrlichen Reise, die sie mit ihren Flügeln hoch in die Luft hinauf machen konnte. Der arme Vogel war nicht bei guter Laune, gefangen saß er da im Bauer.

Das Gänseblümchen wollte so gern helfen, aber wie sollte es das anfangen? Ja, das war schwer zu finden. Es vergaß ganz und gar, wie schön alles ringsumher stand, wie warm die Sonne schien und wie prächtig weiß seine Blätter aussahen. Ach, es konnte nur an den gefangenen Vogel denken, für den es gar nichts tun konnte.

Dar kamen zwei kleine Knaben aus dem Garten, der eine trug ein Messer in der Hand, groß und scharf wie das, welches das Mädchen hatte, um die Tulpen abzuschneiden. Sie gingen gerade auf das Gänseblümchen zu, dass gar nicht begreifen konnte, was sie wollten.

„Hier können wir ein herrliches Rasenstück für die Lerche ausschneiden! „ sagte der eine Knabe und begann ein Viereck einzuschneiden, so dass das Gänseblümchen mitten in dem Rasenstück stand.

„Reiß das Blümchen ab! „ sagte der andere Knabe, und das Gänseblümchen zitterte vor Angst, denn abgerissen zu werden hieße ja das Leben verlieren; und nun wollte es so gern leben, weil es mit dem Rasenstück zu der gefangenen Lerche in das Bauer sollte. „Nein, lass es stehen! „ sagte der andere Knabe, „es schmückt so hübsch! „ Und so blieb es stehen und kam mit in das Bauer zur Lerche.

Aber der arme Vogel klagte laut über seine verlorene Freiheit und schlug mit den Flügeln gegen den Eisendraht im Bauer. Das Gänseblümchen konnte nicht sprechen, kein tröstendes Wort sagen, so gern es auch wollte.

So verging der ganze Vormittag.

„Hier ist kein Wasser! „ sagte die gefangene Lerche. „Sie sind alle ausgegangen und haben vergessen, mir einen Tropfen zu trinken zu geben. Mein Hals ist trocken und brennt! Es ist wie Feuer und Frost in mir, und die Luft ist so schwer! Ach, ich muss sterben, scheiden vom warmen Sonnenschein, vom frischen Grün, von all der Herrlichkeit, die Gott geschaffen hat! „ Und dann bohrte sie ihren kleinen Schnabel in das kühle Rasenstück, um sich daran ein wenig zu erfrischen. Da fiel ihr Blick auf das Gänseblümchen, und der Vogel nickte ihm zu, küsste es mit dem Schnabel und sagte: „Du musst hier drinnen auch vertrocknen, du armes Blümchen! Dich und den kleinen Flecken mit grünem Gras hat man mir für die ganze Welt gegeben, die ich draußen hatte! Jeder kleine Grashalm soll mir ein grüner Baum, jedes deiner weißen Blätter eine duftende Blume sein! Ach, ihr erzählt mir nur, wie viel ich verloren habe! „

„Wer sie doch trösten könnte!“ dachte das Gänseblümchen, aber es konnte kein Blatt bewegen; doch der Duft, der den feinen Blättern entströmte, war viel stärker, als man ihn sonst bei diesen Blümchen findet. Das bemerkte der Vogel auch, und obwohl er vor Durst verschmachtete und in seinem Schmerz die grünen Grashalme abriss, rührte er doch das Blümchen nicht an.

Es wurde Abend, und noch kam niemand, der dem armen Vogel einen Wassertropfen brachte. Da streckte er seine hübschen Flügel aus und schüttelte sie krampfhaft, sein Gesang war ein wehmütiges Piep-piep, der kleine Kopf neigte sich dem Blümchen entgegen, und des Vogels Herz brach aus Mangel und Sehnsucht. Da konnte das Blümchen nicht wie am Abend vorher seine Blätter zusammenfalten und schlafen, es hing krank und traurig zur Erde nieder.

Erst am nächsten Morgen kamen die Knaben, und als sie den Vogel tot erblickten, weinten sie, weinten viele Tränen und gruben ihm ein niedliches Grab, das mit Blumenblättern geschmückt wurde. Die Leiche des Vogels kam in eine schöne rote Schachtel; königlich sollte er bestattet werden, der arme Vogel! Als er lebte und sang, vergaßen sie ihn, ließen ihn im Bauer sitzen und Mangel leiden; nun bekam er Schmuck und viele Tränen.

Aber das Rasenstück mit dem Gänseblümchen wurde in den Staub der Landstraße hinausgeworfen. Keiner dachte an das Gänseblümchen, das doch am meisten für den kleinen Vogel gefühlt hatte und das ihn so gern trösten wollte.

(Hans Christian Andersen)

Donnerstag, 25. Februar 2010

Erinnern und Vergessen

Veilchenstimmung: Die Luft ist gebläut.
Und violette Schatten
Vertiefen das Grün zwischen gestern und heut.
Was wir vergessen hatten,
Erinnert sich in uns. Es zieht
Vom Bein bis in die Mitte
Des Leibes als ein Lied
und ändert unsre Schritte.
Vom Duft fang ich erst gar nicht an:
Erinnern und Vergessen.
Duft, den man nicht beschreiben kann.
An keinem Duft zu messen,
der sommers kommt. Nur mit der Schnur
Aus Amselsang zu binden
Und, folgend der gesungnen Spur,
Am Bachabhang zu finden.

(Eva Strittmatter)

Foto: kalos zauberbuch

Mittwoch, 6. Januar 2010

Sofonisba Anguissola

Drei Schwestern beim Schachspiel

Sofonisba Anguissola wurde wahrscheinlich 1532 in Cremona geboren und war eines von sieben Kindern, sechs Mädchen und einem Jungen. Alle wurden von ihrem aufgeklärten Vater, einem Leder- und Seidenhändler, im Geist der Renaissance erzogen. Zwei seiner Töchter schickte der Vater gar zu einer dreijährigen Ausbildung bei dem bekannten Maler Bernadino Campi.

Drei Kinder mit Hund

Die fortschrittliche Einstellung ihres Vaters und des bekannten Malers trugen dazu bei, dass eine malerische Ausbildung für Frauen künftig akzeptiert wurde. Trotzdem erlaubte man dem weiblichen Geschlecht nicht, zur Ausbildung in eine Werkstatt zu gehen und dort Seite an Seite mit den Männern zu arbeiten. Außerdem waren die Frauen in der Wahl ihres Sujets eingeschränkt. Männliche Akte beispielsweise waren nicht erlaubt.

Sofonisba spezialisierte sich also auf die Porträtmalerei: Ihr Talent zeigte sich in einem frühen Doppelporträt mit dem Titel "Bernadino Campi malt Sofonisba Anguissola".

Anguissolas einzigartiger Stil war auch von historischem Einfluss. Zum einen durchbrach sie die rigide Konventionalität der Porträtkunst, zum anderen sorgte ihr einfühlsamer Blick für eine verblüffende Ähnlichkeit des Porträts mit dem Modell. In ihren zahllosen Selbstporträts hebt sie hingegen ganz zeitgemäß Bescheidenheit und Tugend hervor.

Anguissolas Talent machte sie in ganz Europa bekannt. Künstler wie Michelangelo oder van Dyck besuchten sie zu Beginn (1554) bzw. am Ende (1623) ihrer Karriere.

Dazwischen war sie vom spanischen König Philipp II. zur Hofmalerin ernannt worden und Hofdame zweier Königinnen.

Isabella de Valois

Bezahlt wurde sie übrigens als Hofdame. Ihr Stand als Adlige verbot ihr, ihre Werke zu verkaufen, und so verschenkte sie dieses stets.

1625 starb sie in Palermo.